Donnerstag, 1. November 2012

Wege zur Kunst

Sie sind manchmal länger als gedacht, heute je zwei Stunden hin und zurück, das Doppelte der üblichen Zeit.
Unter dem Motto "Privat" zeigt die Schirn Fotos und Videos der Post-Privacy-Ära, in der wir uns gerade befinden. Begrüßt wird der Besucher mit einer verschlossenen Tür, hinter der die Geräusche eines Beziehungsdramas zu hören sind. Großartige Idee! Bin ich doch gestern von einem Ureinwohner meines Ortes über den nicht vorhandenen Zaun und die nicht vorhandene Tür hinweg als faul beschimpft und über richtige Gartenpflege belehrt worden. Eine Tür, schon eine gläserne, hätte mich wahrscheinlich beschützt. Was hinter Türen statt findet, geht uns nichts an. Da mag heraus dringen, was will.

Unwillkürlich frage ich mich, was da jetzt wohl Kunst sein könnte und gehe erst mal nach den Namen der Künstler. Mein Stern Andy hat seinen schlafenden Liebhaber gefilmt. HM. In so manchen Raum habe ich keine Lust, hinein zu gehen, zum Beispiel auch zur hoch gelobten Nan Goldin.
Beeindruckend hingegen Fiona Tans wandfüllendes Panorama japanischer Lebenssituationen: jung sein, heiraten, Kinder, Urlaub, Kirschblüte. Viele Facetten, anrührend fotografiert.
Auch beeindruckend, aber sehr traurig: Marilyn Minters Serie "Mom". Genial: Sophie Calle. Der König: Ai Wei-Wei.

Die Frage nach der Kunst hat sich schnell in Luft aufgelöst, viel wichtiger ist: Was in diesen Bildern und den Motivationen, sie zu machen, kann ich verstehen? Was sagt es über mein Leben? Dieser Blog ist öffentlich, aber nur ganz wenige Menschen lesen ihn. Er ist auch privat, denn ich schreibe nur über Dinge, die mich persönlich interessieren. Im Falle Ai Wei-Wei wurde das, was ihn interessierte, politisch. Er sieht die Produktion von Texten und Bildern als gleichwertig und gleichzeitig an. Im Mittelpunkt steht seine persönliche Sicht der Dinge, die er öffentlich zur Schau stellt, in seinem Blog. Das habe ich sofort verstanden. Leider mache ich nicht so gute Bilder wie er. Mein Weg zu seiner Kunst führte über die Stärke seiner Bilder.

Die gerade entbrannte Debatte über Web 2.0 und  die Zukunft der vernetzten Gesellschaft hört sich doch verdammt kulturpessimistisch (ja, genau, Anklang an Früheres) an. Was da in der ZEIT zu lesen (ich hab' s heute mal wieder versucht) und im Radio zu hören ist, ist manchmal schwer zu ertragen. Warum äußern sich die Leute nicht einfach über etwas, von dem sie eine Ahnung haben? Warum ist da so wenig Hingabe im Spiel? Eher mehr so kleinkariertes Besserwissertum? Ich bin dafür, dass alle Politiker und alle Chefredakteure (doch, auch der von der BILD) kostenlos in die Schirn gehen dürfen. Macht euch auf den Weg zur Kunst.

Meine Sicht des Privaten und seiner Qualität hat sich verändert, konkretisiert: Nur, wenn ich etwas wichtig nehme und zu meinem Thema mache, kann ich andere Menschen dafür interessieren. Und so nebenbei habe ich einige Bilder gesehen, die in meinem Kopf bleiben werden.

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