Mittwoch, 7. Dezember 2011

Weihnachten

Über Weihnachten gibt es nichts mehr zu sagen, deswegen schreibe ich über die letzte Schulreform. Nein, das ist natürlich nur Quatsch. Ich finde Weihnachten prima.
Weihnachten ist die Zeit, in der meine Achtklässler beschließen, Geschichten vorgelesen bekommen zu wollen.
Weihnachten ist die Zeit, in der Firmen mildtätig werden und wir fast bereit sind, der Frau Ministerin zu glauben, dass 2,4%ja auch nicht viel mehr sei als 1,2%.
Weihnachten wird unterm Baum entschieden - soll doch noch einmal einer sagen, mit der Wahrheit sei keine Kasse zu machen. Naja, vielleicht kein Staat.
Weihnachten, das ist doch diese Sache mit dem Asylanten-Ehepaar usw.
Weihnachten ist in diesem Jahr an unserer Schule endlich freiwillig. Nachdem wir im letzten Jahr mehr als peinlich berührt waren wegen dem, wie unsere Schüler in der Kirche johlten und randalierten, ist es nun endlich freiwillig. "Gibt es da auch eine Unterschrift für?" HÄÄÄ? "Für die Konfirmation kann man Unterschriften sammeln, wenn man in der Kirche war." Ach so. Ich dachte, man darf endlich Spendenbescheinigungen an Onkels und Tanten ausstellen, wenn man sich von deren Knete eine teure Kamera/Ipod/Wii oder was auch immer kauft. Liebe Kinder, ihr müsst es ja gar nicht mehr im Konfirmanden-Unterricht abdienen, was wir von euch als Tribut für die Geschenke wollen, es genügt uns, euer Gesicht in einer Kirche zu sehen.
Armutszeugnis. Weihnachtsgottesdienst. Unterrichtsausfall (gemäß der bestehenden Staatsverträge bitten wir Sie, xy vom 16. bis zum 19. des Monats vom Unterricht zu befreien, damit xy an einer Konfirmanden-Freizeit teilnehmen kann ...) Das reicht doch schon für einen Liedtext von Santa Bushido.
Wo bleibt das Positive? Hier ist es: Jede Menge Süßkram, Nervennahrung, ohne die Weihnachten echt nicht gut käme. Lecker Weihnachten, mmhh.

Donnerstag, 6. Oktober 2011

Schönheit im Alltag

"Materials Revisited" - unter diesem wenig auskunftsreichen Titel läuft im MAK in Frankfurt gerade eine Design-Schau, wie ich sie schöner noch nie gesehen habe. Alle möglichen Materialien, Porzellan, Glas, Papier, Emaille, Ton, Verpackungen aller Art, Stoff, Edelmetalle und -Steine, Metall, Holz, Filz kommen dort auf außergewöhnliche Art zur Geltung.

Eigentlich bin ich nur zufällig in diese Ausstellung geraten und wollte mir das isländische Design ganz oben ansehen. Das fiel dann gegen diese Bravourstücke doch ab, viel grobe Wolle, Holz, Hörnchen und Fischhaut. Ganz interessant, aber eher kurios als berückend. Trotzdem war der Gegensatz sehr reizvoll, denn bei aller Bewunderung für die Objekte in den unteren beiden Stockwerken ist klar, dass diese Dinge nie in meinen Alltag vordringen werden. Bei den isländischen Gegenständen kann ich mir das schon eher vorstellen, Kleiderhaken, Lampen, Klamotten, Trinkgefäße.

Was bleibt, ist ein Eindruck ähnlich wie ein Nachbild: die unerreichbaren zauberhaften Schönheiten hinterlassen ein anders gefärbtes, weniger intensives, aber genau umrissenes Bild im Kopf. Es dient als Vergleichsgröße zu dem, was mich tatsächlich umgibt und als Erinnerung an das, was möglich ist. Banal heißt das, dass ich Lindt-Lindor-Papier jetzt mit anderen Augen sehe. Aber auch ein zartes Unterhemdchen, von dem ich nun weiß, dass es auch aus filigranen Glasfäden sein könnte.

Schönheit im Alltag entsteht, wenn wir bereit sind, mehr als nur die Dinge zu sehen. Und hat nicht jeder von uns Sehnsucht danach?

Dienstag, 13. September 2011

AQS

Schon wieder so ein Akronym, und es steht nicht etwa für außergewöhnlich quatschlastige Sinnenfreude sondern für die Agentur für Qualitätssicherung, Evaluation und Selbstständigkeit.

Ein derartiges Buzzword-Konglomerat signalisiert: da werden Steuergelder und Ressourcen verbrannt, aber für einen guten Zweck. Der Zweck: Wir machen die "faulen Säcke" rückgängig und suggerieren, dass wir den Lehrerberuf rehabilitieren wollen. Die Vorgehensweise: siehe die Geschichte vom Schäfer in der Wüste und es kommt ein Jeep, wo der Typ im Armani-Anzug aussteigt usw. Das Ergebnis: Jede Menge verbrannte Arbeitszeit.

Die Lehrer verbrennen erstmal ihre eigene, zuhause am Computer, um so sinnvolle Fragen wie die zu beantworten: Wenn ein Schüler eine falsche Antwort gegeben hat, geben Sie ihm dann Gelegenheit, sie selbst zu verbessern? Nun, wenn er die richtige Antwort gewusst hätte, hätte er sie gesagt, oder? Trotzdem muss ich den Schüler dann nicht erniedrigen, sondern kann sein Antwort als gut, als sinnvoll, als lehrreich usw. bezeichnen. Unser Bildungssystem ist beispiellos defizitorientiert, sprich: aus unseren Fehlern und NUR daraus lernen wir. Jede Menge Kommentare möglich, aber sinnlos. Kamel, Nadelör usw.

Dann verbrennen wir die Zeit der Schüler und der IT-Kraft, so vorhanden: Anmeldung im Computerraum mit einem ungenannten System, an dem sich irgendeine Firma eine goldene Nase verdient hat. Im Bildungssystem wird viel Geld verdient. Immer auf Kosten der Schüler, teure Lizenzen, wenig Bandbreite. Nach 10 Minuten ist man angemeldet, es kommt das Laden der AQS-Seite. Wenige Minuten später darf man dann eine 18stellige Benutzer-ID eingeben, gefolgt von einem 8stelligen Passwort (Zahlen, Buchstaben groß und klein). Für Schüler, die schonmal ihren eigenen Nachnamen klein schreiben, wird das zur Prüfung.

Und dann die Fragen: Gibt es zuhause klassische Literatur? HÄ??? Eine Spülmaschine? AH! Der soziale Background soll erfragt werden und hoffentlich, hoffentlich werden diese Fragen irgendwann evaluiert. Eine Spülmaschine gehört mittlerweile wahrscheinlich zum Hartz4-Grundbedarf, und klassische Literatur ist ein weites Feld. Nietzsche? Goethe? Marx? Jünger? Walser? Brecht? Tatsächlich gibt es Menschen, die auch ohne die Lektüre all dieser Autoren Herzensbildung besitzen und ihren Kindern Gutes mit auf den Weg geben, oder solche, die sich im Handwerk mit goldenem Boden bescheidenen oder auch unverschämten Wohlstand erarbeitet haben. Variationsbreite unendlich.

Was bleibt?

1) Diese Umfrage zu bearbeiten, setzt Alkoholgenuss zwingend voraus, mindestens bei den Lehrern, besser auch bei den Schülern. Jawohl, ab Klasse 5.

2) The world is about to be destroyed.

3) Wer zulässt, dass Geld für AQS anstatt für Lehrerstellen ausgegeben wird, zeigt, was er von seinem Stimmvieh hält: wir bestimmen, was ihr braucht, und Bildung gehört nicht dazu.

4) Computergestützte Evaluation ist eine enorme Bereicherung. Vor allem für die, die sich die Fragen ausdenken und die Website programmieren.

Ich melde mich nach dem Besuch der AQS-Kommission in der Schule wieder. Zum Glück brauchen wir "keine Angst" zu haben, wurde auf der Gesamtkonferenz zur Vorstellung der AQS betont. Ich wüsste auch nicht, warum ich Angst haben sollte, bloß weil ich meinen Job mache.


Sonntag, 11. September 2011

Elfter September

Da ist er mal wieder, der elfte September, und schon zum neunten Mal erinnern wir uns an ein Ereignis, das die Welt verändert hat. Auch unsere persönliche kleine Welt. Jeder von uns weiß noch, was er an diesem Tag gemacht hat, was er als Erstes gedacht hat und welche Folgen die Anschläge und der Irak-Krieg für sein Leben hatten.

Mal abgesehen davon, dass wir uns auch anlässlich schöner und beglückender Ereignisse und ihrer Jahrestage mit einer persönlichen Bilanz befassen könnten, ist es erstaunlich, in welcher Weise es den USA gelungen ist, eine Mythos um die Ereignisse des elften September zu spinnen.

Es gibt so viele Dinge, die uns mehr beschäftigen sollten: Überbevölkerung, Unterernährung, Klimaerwärmung usw. Das ist leider alles zu abstrakt, um uns zu Handlungen zu bewegen. Die ganz konkreten Probleme in unserer direkten Umgebung: Kinderarmut, häusliche und andere Gewalt, Ausbeutung der Tiere und der Umwelt. Das ist auch nicht wirklich attraktiv.

Vielleicht ist das Gute am elften September, dass wir uns als Teil von etwas Bedeutsamem fühlen können, wenn wir uns in unseren persönlichen Mikrokosmos diese Tages hinein versetzen. Ich stelle fest, dass mein politisches Bewusstsein sich verändert hat, nicht durch diesen Tag, aber durch Michael Moore, durch Diskussionen um alle möglichen Theorien, die diesen Tag umkreisen. Ich glaube den Nachrichten noch weniger, empfinde die mediale Ausweidung von Nachrichten als noch unerträglicher und bin noch überzeugter davon, dass unsere Welt auf ihr Ende zusteuert.

Das sind möglicherweise nicht die Empfindungen, die von den Gedenken-Machern erwünscht sind, aber ich bin sicher, dass einige Menschen sie teilen und sich den "Informationen" aus Film und Funk gegenüber kritisch zeigen.

Wäre das das Gute im Schlechten?

Könnte der elfte September unsere Sinne geschärft haben?

Warum sind die guten Tage dazu nicht in der Lage?

Wo warst du am elften September?

Dienstag, 16. August 2011

Spätsommer

Nach dem Regenwetter nun auch noch der Spätsommer. Hat die nichts Besseres zu tun???

Es ist gar nicht so banal, wie es sich anhört, über eine Jahreszeit zu schreiben und nachzudenken. Der Spätsommer beinhaltet schon in seinem Namen das Festhalten an einer schönen Erinnerung. Der eigentliche Sommer ist vorbei (und fand 2011 im Mai statt) und seine letzten Anzeichen, die späten, sind es uns wert, ein Wort zu kreieren: Spätsommer. Die Dunkelheit sinkt schon eher, die Nächte sind kühler, Äpfel und Birnen reif, der Rest vorbei, erste Pilze sprießen. Der Igel tappt abends durch den Garten und schmaust die heruntergefallenen Früchte, Stare sind in Schwärmen unterwegs. Sie durchkämmen die Ebererschen, die Holunderbüsche. Spatzen sitzen auf Ähren, Stieglitze auf Disteln und alles ist so farbenfroh und puppig nett, dass man vor Traurigkeit schier vergehen könnte.

"Die Vier Letzten Lieder" fallen mir ein. Noch ist es warm und sonnig (doch, ich habe sie noch erkannt, die Sonne), und trotzdem weiß ich, dass in gut vier Monaten Frost und Dunkelheit den Garten im Griff haben werden. Und mich.

Wie jetzt raus aus der Melancholie? Ganz einfach: ich denke schonmal an den nächsten Frühling, der sich in diesem Spätsommer versteckt. Samen vom Rittersporn habe ich gesammelt, Pläne für Pflanzungen und Schnitte gemacht. Einen schönen Urlaub für Silvester gebucht und Ziele für das neue Jahr gesteckt. So hangeln wir Menschen uns weiter, und ich möchte den sehen, der vom Reiz des Spätsommers unberührt in den Winter geht. Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis ... und das ewig Weibliche, Sinnenfrohe zieht uns hinan.

Samstag, 6. August 2011

Madame

Es ist so weit. Nun bin ich 44 und eindeutig im "Madame"-Alter, wie ich beim Friseur feststellen durfte. Denn dort las ich in der Juli-Madame einen Artikel über das Älterwerden, der meinem Lebensgefühl entsprach, es ging um das Altern mit Gelassenheit.

Sehr schön, wenn auch nicht immer ganz geradlinig wurde hergeleitet, dass und warum in unserer Gesellschaft nur Jungsein gut ist, ich breite das jetzt hier nicht aus. Schön war, dass der Autor den "Rosenkavalier" zitierte, eine ganze Oper, die sich um Jugend und Alter dreht und sprachlich perfekt und höchst ästhetisch auf den Punkt bringt, was so schwer zu fassen ist: man ist eben nicht so jung, wie man sich fühlt. Das Äußere verändert sich, das Innere auch, und das korreliert eher nicht.

Für mich ist ein Tag so gut wie der Andere, schon seit einigen Jahren bin ich total zufrieden und empfinde genau diese Zeit als die beste meines Lebens. Trotzdem fühle ich mich gelegentlich als Dinosaurier, der die Jugendlichen von heute nur fassunglos beobachten kann. Wie wird es wohl sein, wenn ich richtig alt bin? Gibt es bis dahin eine Möglichkeit, ewige Jugend zu bewahren? Oder wenigstens eine Möglichkeit, kurz und schmerzlos, aber würdevoll den eigenen Abgang zu inszenieren? Wie alt wird alt dann sein, 70, 80, 120? Mein Kopf kann ewig 44 bleiben, mein Körper nicht. Ich nehme das gelassen, aber nicht fatalistsich zur Kenntnis und beschließe, keine generelle Haltung zum Altern zu entwickeln, sondern abzuwarten, was das Leben bringt.


Sonntag, 24. Juli 2011

Regenwetter

Auweia, über Regenwetter bloggen, das sieht nach Sommerloch aus. Fällt mir denn sonst gar nichts ein?

Das Wetter ist nicht so nebensächlich, wie es dem modernen Menschen manchmal erscheint und ich persönlich bin vom Wetter abhängiger, als es mir lieb ist. Scheint die Sonne, dann kann ich es kaum erwarten, aufzustehen und im Garten zu wühlen, auf der Liege ein Buch zu lesen, einen Ausflug zu machen oder beliebig vielen anderen schönen Beschäftigungen nachzugehen. Die Sonne spendet unbegrenzt Energie! Regnet es hingegen, weiß ich: ich muss drinnen bleiben und da warten meine Aufgaben auf mich: Schulkram ordnen, Mails beantworten, Putzen,Bügeln & Co.

Ja, und? Wer hat das denn so eingerichtet? Genau, das war gar nicht das Wetter, sondern ICH. Wer sagt eigentlich, dass ich drinnen nur Pflichten habe?

Der erste Schritt zur Besserung ist getan, allerdings funktioniert das Entspannen nicht auf Knopfdruck. Ja, natürlich kann ich ein schönes Buch lesen, einen Brief schreiben, überhaupt etwas schreiben, kochen, telefonieren, Leute einladen usw. Aber vor allem kann ich mal ganz still dasitzen und dem Regen zuhören, Kitschmetapher, aber zutreffend. Ganz still sitzen. Ich sehe aus dem Fenster, Wind und Regen haben die Aussicht fest im Griff. Da sitzt die Katze, schon den ganzen Tag (Katzen können problemlos spontan ent- und anspannen, achten Sie mal drauf!), ich schaue zu, wie ihr Bäuchlein sich kaum merklich hebt und senkt. Da sitze ich, glotze so vor mich hin und langsam wird mein Geist leer, ohne Bedürfnisse, ohne Antrieb von außen. Als Kind hatte ich solche Tage in den Ferien öfter, und wenn sich drei davon aneinander reihten, war es Zeit, wieder zur Schule zu gehen.

Naja, wir wollen nicht übertreiben. Aber doch einfach mal Ruhe geben und die Grenze zur Langeweile erkunden. Dann kann der leere Akku nämlich wieder geladen werden und die Energie der Sonne und anderer Spender bewusst aufnehmen. Sonne, falls du jemals wieder kommst, bin ich mehr als bereit! Und Katze, danke für die Anregung.

Samstag, 25. Juni 2011

Gartenlust

Nach soviel Mecker muss nun mal wieder ein schwärmerischer Eintrag kommen: Ist es nicht schön im Garten? Zugegeben, nach den Schauern und der unwirtlichen Kühle ist es im Garten gerade nicht so gemütlich, aber er ist eine Augenweide. Damit meine ich den Garten an sich, nicht nur meinen. Die Rosen haben bereits die erste Blüte hinter sich (viele Sorten jedenfalls) und neigen melancholisch schwere, bräunliche Köpfe zur Erde. Wenn wir sie abschneiden, haben wir bald neue Pracht. Phlox, Echinacea, Campanula, Rittersporn, Fingerhut, Lavendel, alles tobt sich gerade in satten Farben aus.

Und wenn dann noch ein Händchen für Gartengestaltung waltet, eines, das nicht die deutsche Perfektion mitbringt, sondern viel Liebe, dann wird daraus eine Oase, ein Paradies. So wie bei Odile Landragin in Mainz-Gonsenheim.

Ja, die hat ja auch den tollen Gonsenheimer Sandboden, nicht diesen schweren Lehm wie ich hier. Und ganz tolle eingewachsene Bäume und Büsche und überhaupt. NEID. Vor allem aber hat sie, mit scheinbarer Leichtigkeit, den Garten in eine Abfolge von Gärtchen verwandelt, die alle einen eigenen Charakter haben, ein Motto, die einem das Gefühl geben, der erste und einzige Besucher zu sein.

Wenn ich das sehe, lockt mich die BuGa nicht mehr. Pflanzen in Reih und Glied, geh fort. Die können noch so schön sein, im Garten muss es wildern, wuchern, ranken, sich biegen, neigen, sanft sich wiegen und zittern, leuchtend blühen, zart schimmern und vergehen.

Ist morgen Sonntag? Ganz egal, ich gehe in meinen Garten und rupfe und wühle und mache meine Seele glücklich.

Dienstag, 7. Juni 2011

Bildung für alle

Es ist so weit - die Rheinland-Pfälzer haben gewählt, und die Politiker haben die erste Gelegenheit, ihre Wahlversprechen zu unterlaufen. Las ich "Bildung für alle" oder ähnlichen Quatsch auf Grünen Wahlplakaten?
Ist ja auch wurscht, jetzt werden 220 Millionen eingespart, und nächstes Jahr nochmal soviel. Die Grünen sind mit dabei, wie bei jeder Sauerei.
Warum mich das so auf die Palme bringt? Weil es meine tägliche Arbeit direkt betrifft. Vertretungslehrer gibt es jetzt nur noch nach "sorgfältiger Prüfung des Bedarfs". Ist ja richtig, wir haben die Vertretungslehrer nur gebraucht, um uns in Ruhe anne Füße spielen zu können. Planstellen? Achwas, wir versetzen erstmal den frustrierten Schrott (hoch lebe das Beamtentum!!), da sind die froh, die gehen dürfen, auch die, die gehen lassen, und die, die kriegen, müssen erstmal mitkriegen, was sie da kriegen.
Wer hat eigentlich verfügt, dass man sein ganzes Leben lang Lehrer sein muss? Achja, das Sabbatjahr könnte auch abgeschafft werden. Keine Gnade.
Gleichzeitig versucht Hessen, die UN-Konvention zur Inklusion umzusetzen, und wenn man die ganze Lyrik hört, wird einem erstmal klar, wie verlogen das alles ist. Jaaa, und wenn man dann die Lehrerzeitung, die ... ZEIT ... aufschlägt, verklickert einem Herr Zöllner, dass die Wehleidigkeit der Lehrer das alles mitverursacht. Erst dachte ich noch, ich schreibe einen Leserbrief, aber das hat keinen Sinn. Der Ruf der Lehrer ist ruiniert und wird es bleiben.
Was bleibt? Täglich zum Dienst gehen und versuchen, anständig zu bleiben. Die Kinder zu sehen, mit all ihren Problemen und Talenten. Die Kollegen zu sehen und den Kontakt mit ihnen zu pflegen, damit die Klassenzimmertür oft offen steht. Sich selbst gut zu behandeln und Zumutungen zurückzuweisen. Zu brennen für das, was man für wichtig hält.
Klingt nicht gerade wie ein Traumberuf.


Montag, 23. Mai 2011

Hochkultur?

Oje, mit dieser Überschrift bringt man sie alle gegen sich auf. Warum also so eine blöde Überschrift?

Merce Cunningham, "Nearly 92" bei den Wiesbadener Maifestspielen. Das Stück wird so nur noch wenige Male aufgeführt, hat der Choreograph, der nicht mehr unter uns weilt, vor einiger Zeit beschlossen. Ich bin gespannt, habe mich vor Jahren mal mit John Cage beschäftigt, in dessen Umfeld ich zwangsläufig auf Cunningham stieß. Irgendwie erwarte ich, dass ich Dinge erkenne, wieder erkenne und sich eine ungezwungene, ausgelassene Stimmung einstellt, wie sie auch zu den besten Zeiten der beiden C's geherrscht haben mag. Der geneigte Leser ahnt es schon - nichts davon tritt ein. Vor meinen Augen läuft eine sehr distanziertes, artifizielles Tanzstsück ab, das meine Sinne so gut wie nicht anspricht (Ausnahme: Licht). Die "Musik" besteht aus original handgemachten elektronischen Verfremdungen und berührt mich nur, wenn der E-Bass spielt, tiefe, sonore Quinten.

Das kann ja mal passieren: man wohnt einer Veranstaltung bei, die den eigenen Nerv nicht trifft. Das Publikum klatscht und johlt frenetisch. Ich fühle mich ausgeschlossen. Könnte es sein, dass die alle besser bescheid wissen als ich? Könnte es sein, dass die alle nicht so gut bescheid wissen wie ich? Könnte es sein, dass die alle einfach nur fesziniert sind von der Leistung der Tänzer? Könnte es sein, dass die alle nur begeistert sind, weil man für 50 Euro nicht enttäuscht sein möchte?

Diese Veranstaltung hatte auf jeden Fall ihre Berechtigung. Sie hat mich nicht angesprochen, war aber der Kunst verpflichtet. Die Maifestspiele haben auf jeden Fall ihre Berechtigung. Wiesbaden öffnet sein Fenster zur internationalen künstlerischen Avantgarde, ganz ohne Ironie sage ich das. Aber wie wollen wir, die wir dort eine Karte kaufen und eine Ansprache erhoffen, die "jungen Leute" an diese Art von Hochkultur binden, um diese zu erhalten? Ist das überhaupt erstrebenswert? Bedeutet das nicht auch, die Klassengesellschaft zu befördern? Wer braucht das alles?

Im Nachhinein lässt das Ballett ungewohnte Saiten in mir klingen. Der berühmte Kulturpessimismus schleicht sich an, aber auch das Gefühl, selbst ein Fossil zu sein. Cunningham hat verfügt, dass seine fossile Choreographie in der Ausstellungsvitrine des Videofilms landet. Da gehört sie für mich auch hin. Doch der Einzelfall kann nicht davon ablenken, dass unsere Kultur Bocksprünge macht, von denen wir "Alten" nichts wissen können. "Nearly 92" ist nur eine Gelegenheit, die mich an der langfristrigen Existenz unserer kulturellen Ereignis-Landschaft zweifeln lässt. Wir jagen und sammeln aus Angst. Gesammeltes gibt uns unsere Identität.

Die Jungen sammeln nicht. Für sie bleibt nur der Augenblick, zu wenig, um mit der "Hochkultur" warm zu werden.


Mittwoch, 4. Mai 2011

Anständig leben

"Anständig essen" von Karin Duve, die Autorin liest freundlicherweise selbst, drumherum sitzen jede Menge Studies und jede Menge alter Säcke wie ich. Den trockenen Humor kenne ich schon aus "Dies ist kein Liebeslied", er ist im Zusammenhang mit dem hochmoralischen Thema große Klasse. Karin Duve weiß, dass sie es nur falsch machen kann, sagt es laut und lästert darüber. Und lässt trotzdem nicht nach in ihrem Ansinnen, es etwas besser machen zu wollen als bisher. Sie spricht mir so aus der Seele, und schnell bin ich vom Essen zum gesamten Rest gehüpft. Anständig leben, da steckt der ökologische Fußabdruck drin, da steckt dieses Bedürfnis drin, sich nicht auf Kosten Anderer bereichert zu haben (tut man permanent) und dank Karin Duve steckt nun auch das Bewusstsein darin, es nicht gut machen zu können und sich dabei belächeln zu können.

"Leave a trace" heißt es in der Werbung für das Porsche-Parfum - yo, die Spur, die ich hinterlasse, wird nicht in einem geilen Auto mit 12 Litern Spritverbrauch bei 110 km/h bestehen. Und nun? Da niemand dankend vor mir auf die Knie fällt, muss ich mein Gutmenschentum alleine würdigen. Jetzt wird es ernst. Wenn heute der letzte Tag wäre, dann ... hätte ich mal wieder das Gefühl gehabt, ihn in einer Schachtel verbracht zu haben.

Ja, ist es denn mit dem Gutmenschentum noch nicht getan? Muss ich denn noch weiter denken und entscheiden? Karin Duve würde an der Stelle vielleicht sagen, dass sie sich jetzt erstmal zwischen Weiß und Rot entscheiden muss und Jiminy Grille ihr schon ins Ohr geplärrt hat, wie es weiter geht, nämlich schön pragmatisch, und dass damit auch gar nichts verkehrt ist. Morgen besuche ich mal die Nachbarschachtel. Danke, Karin.

Mittwoch, 27. April 2011

Denn sie wissen nicht, was sie wollen

Alle Menschen um die 40 klagen über die Menschen um die 15, also die nächste Generation. Wir auch. Wir, das sind Personen mit verschiedenem beruflichen Hintergrund beiderlei Geschlechts, also ein repräsentativer Querschnitt. Naja, wenn wir repräsentativ wären, dann gäbe es unser Problem vielleicht gar nicht. Denn wir finden, dass die "jungen Leute", mit denen wir so tagtäglich erzieherisch umgehen, nicht wissen, was sie wollen. Sie bekommen von ihren Eltern nicht vorgelebt, für Dinge zu brennen, wie man so schön sagt. Diese Eltern sind so alt wie wir.

Die "kids" wissen, was sie nicht wollen und vor allem, was sie nicht müssen. Anstrengungsvermeidung steht ganz oben, gut ist, was Spaß macht, vor allem Chillen und Zocken.

Wie gesagt, alle Menschen um die 40 usw. ... Sind wir, bin ICH also einfach nur älter/alt/zu alt, um das zu verstehen? Bin ich ein Kulturpessimist? Hoffentlich nicht. Das würde heißen, dass ich an das geistige Überleben dieser Generation nicht glaube. Ich möchte aber gerne daran glauben. Ich möchte glauben, dass sie die "neuen Medien" nutzen können, um sich zu informieren und zu vernetzen, nicht nur mit 126 "Freunden" bei facebook. Ich möchte glauben, dass sie die Chance, die Fukushima uns eröffnet (ojeh, ganz schön zynisch) nutzen können, um zu Energie und Konsum ein neues Verhältnis zu entwickeln. Ich möchte glauben, dass sie von der Freiheit der Kultur und Fantasie profitieren und ihr Leben gerne leben. Diese Utopie gehört zu den Menschen um die 40 wie das Klagen über die "Jungen".

Wir haben gerade bemerkt, dass wir nicht unsterblich sind - und nebenbei auch nicht unfehlbar. Wir sind übrigens die Generation, die in der Historie den Stempel "unpolitisch" trägt. Wir sind traurig über das Chaos, was wir den "Jungen" hinterlassen, wir haben Angst, dass sie uns fragen könnten, wie das passieren konnte. Habe ich zumindest.

Meine Eltern sehe ich nun anders. Meine Kämpfe mit ihnen stehen in einem anderen Licht, und ich ahne, dass ich unter anderen Vorzeichen denselben Tanz mit ihnen tanze wie die "Jungen" mit mir. Wo sind die Eltern zu diesen "Jungen"? Ich selbst, ohne Kinder, frage mich, was so viele dieser Eltern von mir unterscheidet. Ich lande bei den allein erziehenden Müttern, die von der Gesellschaft das Glücksversprechen für unabhängige Frauen gehört und eingefordert haben. Wenn ich Kinder bekommen hätte, wäre ich nach meiner Scheidung auch so eine gewesen. Sie haben der Emanzipation alle Seiten abgewonnen, mit dem Ergebnis, dass sie in jeder Hinsicht überfordert und mit sich unzufrieden (oder in krankhaftem Maß selbstzufrieden) sind. Die Kinder sind "ihr bester Freund", Erziehung ist Diskussion, denn Druck bringt gar nichts.

Und diese Väter ... In diesen Zeiten das Geld ranzuschaffen, genügt zur Rechtfertigung jedweder Entziehungstaktik noch mehr als je zuvor. Wie sollen die Kinder da wissen, wer sie sind - und was sie wollen?

Jaja, werden Sie sagen, das ist leicht, das ist so typisch Lehrer, erstmal auf die Eltern, die können doch auch nicht anders. Und da kann ich zum Glück auf den Anfang des Artikels verweisen, der sagt: wir sind viele unterschiedliche Menschen, die das feststellen. Und wir haben Utopien.



Mittwoch, 13. April 2011

Zu wahr, um schön zu sein

Michel Houllebecq, "Karte und Gebiet". Wie schreibt er, den Slogan von Michelin wieder gebend /realitätsnah kreierend: "Die Karte ist wichtiger als das Gebiet". Genau, so ist das im Kunstbetrieb. Was man wie und wo daraus macht, ist wichtiger als der Inhalt.
Werden deshalb die Inhalte automatisch schlecht? Kann nicht sein. So muss also jeder Betrachter immer wieder selbst entscheiden, was ihm gefällt, und wird dabei mal mehr, mal weniger von der öffentlichen Inszenierung des "Wichtigen" behindert.
Jed, Houllebecqs "Held", gerät in die Mühlen des Kunstbetriebs ganz ohne weiteres Zutun, plötzlich sind seine Gemälde Millionen wert (ich bin noch nicht am Schluss des Buches). Und das wird so boshaft und amüsant hergeleitet, dass ich total neugierig bin und heute Abend noch weiter lesen muss, wie es weitergeht. Bleibt er oben? Haut es ihn nach unten? Wo ist oben eigentlich? Was macht der Houllebecq in seinem eigenen Roman? Und warum ist das ein Thriller?
Schwenk ins tägliche Leben, in mein Leben. Seit x Jahren ehrenamtliche Kulturarbeit in verschiedenen Umfeldern, außerdem natürlich Bildungsarbeit in der Schule. Was kommt im Leben der "normalen" Menschen an? Brauchen die Kunst? Ich frage es mich immer wieder. Was heißt "brauchen"? Gebrauchen, benutzen, aber auch lieben, benötigen. Diese letzte Gruppe erscheint mir so klein und immer kleiner werdend. Die Mühe der Auseinandersetzung nimmt längst nicht jeder auf sich, allerdings umso eher, als er selbst "Kunst macht", also irgendwie kreativ handelt.
Zurück zum Buch, zum Held: Jed dokumentiert, sammelt und stellt Zusammenhänge dar. Er kartiert das menschliche Sein, den Sinn für Werkzeuge, Abstraktionen, Beziehungsmanagement. Wer offenen Auges durch die Welt geht, kann das jeden Tag im Geiste tun und gerne den Computer dafür hernehmen (wie mein bayrischer Schwager jetzt sagen würde, ein wunderbares Wort, das die leise mitschwingende Gewaltanwendung in der Benutzung anklingen lässt: hernehmen).
Da sind wir dann bei einer meiner Leidenschaften, dem "Bildlexikon des schlechten Geschmacks", das ich verbal bei Ausflügen zum Rest der Menschheit (also in Städten) gerne fülle. Könnte ich das so wunderbar verschriftlichen wie Michel H., hätte ich "Karte und Gebiet" geschrieben und nicht er. Michel, ich trinke auf dich.

Sonntag, 3. April 2011

Sich selbst erfinden

Das Beste an der modernen Welt ist, dass man sich jederzeit selbst neu erfinden kann. Und das muss man auch.

Nun habe ich über ein Jahr hier nichts mehr geschrieben, weil der Widerhall fehlte. Doch heute habe ich den Entschluss gefasst, meine Gedanken wieder ins www zu pusten, in die Unendlichkeit, ohne auf Widerhall zu warten - denn schließlich biete ich ja genug Resonanzraum.

Zwischendurch habe ich übers Essen und Leben an sich laut nachgedacht auf der "krauthaus"-Seite, unsere vegetarischen Kochseite, die leider mangels Beteiligung auch eingeschlafen ist. Über sich selbst nachzudenken, ist ein wunderbarer Luxus, der mir jederzeit im (sehr unregelmäßig geführten) Tagebuch erhalten bleibt. Vielleicht hat jemand ähnliche oder ganz konträre Gedanken, so dass man in einen Dialog treten kann. Und hier kommt das "Sich selbst erfinden" zum Tragen.

In diesem Jahr 2010, das hier unausgefüllt bleibt, ist sehr viel geschehen und ich kann jetzt darauf zurückblicken mit dem Gefühl, große Schritte nach vorn gemacht zu haben. Wo ist eigentlich vorn? Ganz genau genommen habe ich große Schritte gemacht, in diverse Richtungen. Und statt vorn oder hinten tragen sie Namen wie Begeisterung, Ernüchterung, Verzweiflung, Mut usw.

Ganz klar ist: ich werde weitere Sabbatjahre nehmen. Die Droge Selbstbestimmung hat mich voll erwischt und ich lebe gerade auf (überschaubarem) Entzug. Weiterhin klar ist: ich muss mein Leben entrümpeln. Ausgerechnet ich! Noch unklar ist, wie sehr ich meine Geschäftsidee nutzen kann, um das schulische Leben auf eine tragbare Menge zu reduzieren. Zur Zeit ist es eher ein Klötzchen am Bein, aber das liegt an vielen Faktoren, z.B. daran, dass ich es noch nicht schaffe, die geeignete Zielgruppe anzusprechen.

Und so erfinde ich mich gelegentlich neu, derzeit als die Frau, die alles hinkriegt (man frage nicht, wie und in welcher Verfassung), und die, die immer noch dank ihrer guten (?) Erziehung es duldet, von eitlen alten Säcken an die Wand geredet zu werden und der Pflichterfüllung soviel Aufmerksamkeit zu schenken. Da tun sich doch Arbeitsfelder für 2011 auf! Mal sehen, wer ich am Ende diese Jahres bin, ich lasse es mich wissen, in diesem Blog.