Sonntag, 29. November 2009

In der Klemme

Der moderne Mensch ist in der Klemme, ich natürlich auch. Wie heute wieder in einer anregenden Diskussion im Radio zu hören war, ist das Lager der mündigen Konsumenten gespalten in die "Ich änder doch eh nix"-Typen und die "Jedes Schrittchen zählt"-Typen. Konkret: Ich möchte ein schwarzes T-Shirt haben. Entweder gehe ich zu H&M und denke mir: "Ist zwar alles Kinderarbeit, aber davon, dass ich dieses Shirt jetzt nicht kaufe, ändert sich eh nix." Oder ich recherchiere im Internet, welche Händler fair erzeugte T-Shirts herstellen und kaufe dann da - kein "Shopping" im eigentlichen Sinne, Spaßfaktor Null. Es gibt auch noch ein Dazwischen, was meine persönliche Lieblingsmethode ist. Ich mache den begrenzten Konsumverweigerer und gehe in den Second-Hand-Shop.
Was tun?
Ich selbst kann nicht immer ganz konsequent handeln. Ich esse wenig Fleisch und sowieso eigentlich nur glückliches, .... aber wenn ich gerade ganz großen Appetit auf einen Döner habe, ist er dran. Anschließend ist der Döner-Hunger gestillt und ich "verzichte" in der Folgezeit nicht auf Fleisch, sondern ich esse halt keins.  Ich kann auch nicht andere Leute dauernd bequatschen und bekehren, sonst habe ich bald keine Freunde mehr. Ich kann nur leckeres Essen aller Art auf den Tisch bringen und hoffen, dass es Mitesser und Nachkocher findet.
Warum neigen wir (Deutschen? Mittvierziger? Menschen?) eigentlich dazu, alles so zu verallgemeinern und zu verabsolutieren? Böser Verdacht: Weil wir uns dann leichter rausreden können. Vermeidet man die Worte "immer" und "nie", dann fällt einem kein Grund mehr ein, warum man nicht ab und zu  etwas "politisch Korrektes" tun kann. Dann steht zwar kein Schild drauf ("Ich bin Vegetarier" oder "Ich bin umweltbewusst"), aber ich habe nicht nichts gemacht.
Also, raus aus der Klemme und rein in die Unvollkommenheit.

Dienstag, 17. November 2009

Kunst für Millionen

Nein, nicht der Preis für den Warhol bei der jüngsten Versteigerung ist gemeint. Es geht um eine Ausstellung in der Frankfurter "Schirn", in der 114 lebensgroße Menschen aus Lehm zu sehen sind. Sie sind zu 7 Szenen gruppiert, die die Ablieferung des Pachtzins bei einem chinesischen Großgrundbesitzer zeigen. Propagandakunst also. Ist das Kunst? Ist das wichtig, ob es Kunst ist? Ich bin beeindruckt von der Anmutung, die Menschen sind ganz lebendig, ihre Gesichter rühren mich an. Die Posen sind theatralisch, übertrieben, aber zum Teil auch sehr natürlich, vor allem bei den alten Leuten.

Wenn man über die Enstehung des Figurenzyklus liest, wird einem klar, dass man es hier nicht mit einem Prozess zu tun hat, den wir als künstlerisch einordnen. Der Gutshof wurde als Gedenkstätte eingerichtet, die Figuren sollten an das Elend der chinesischen Landbevölkerung erinnern. Sie wurden von einem Kollektiv von Künstlern geschaffen, die bei den ansässigen Bauern Maß nahmen. Im Mittelpunkt stand nicht die Kunst, sondern die authentische und propagandistisch überhöhte Darstellung.

Kann man Kunst machen, ohne es zu wollen? Darf ich Propagandakunst schön finden? Da geht man ganz harmlos am Sonntag so zur Zerstreuung in eine Ausstellung und sieht sich mit den essentiellsten Problemen der Kunstgeschichte konfrontiert.

Naja, besser ratlos im Museum als besinnungslos vor der Glotze. Mal sehen, was sich nächsten Sonntag auftut. Bis dann!

Mittwoch, 11. November 2009

Männerwelt

Gestern Abend: "Hot readings" in Mainz im Staatstheater zum Thema "Fußball ist ihr Leben". Verglichen mit dem sonstigen Theaterpublikum totaler Männerüberhang quer durch alle Altersgruppen. Gelesen und gespielt werden Männertexte, -sprüche und -fantasien, und wir durchaus präsenten Frauen lachen genauso laut wie die Männer, nur anders. Und die Männer auf der Bühne wissen, dass wir über den Mann in ihnen lachen und lassen denselben so richtig raushängen, auch die Frau auf der Bühne. Super! Fazit: Wer gesagt hat "Och nö, mit Fußball hab ich's nicht so", der hat was verpasst. Hier gab es nämlich was über das Leben zu lernen, über die Mythen, die die Medien stricken, über die friedliche Koexistenz der Geschlechter, über die dramaturgischen Tricks einer gelungenen Performance (obwohl Trapp sie natürlich unbewusst anwendet) und insbesonders darüber, dass man sich nicht so ernst nehmen muss, nicht mal als Frau. Die Männer wissen das schon!

Ob ich jetzt aus dem Frauenmuseum ausgeschlossen werde? Ich lasse es die geneigte Leserin wissen (hab ich doch neulich zum ersten Mal in meinem Leben mit einer Frau gesprochen, die von allem grundsätzlich die weibliche Form nennt - ich schwanke zwischen Ehrfurcht und Verachtung).

Bis dahin!

Freitag, 6. November 2009

Ein Leben für die Kunst

So, jetzt ist es endgültig Freitagabend. Ich weiß gar nicht, was ich alles gemacht habe in dieser Woche, so langsam kommt das Sabbatjahr richtig in Fahrt (wird ja auch Zeit). Jedenfalls hat ganz viel mit Kunst zu tun, oder mit dem Weg dahin und drumherum. Gibt es eigentlich Kunst im Leben der 6 Milliarden da draußen? Oder bin ich ein Spinner, und die Leute, die ich gut finde, auch? Und was ist Kunst überhaupt?

Was Kunst ist, ist mir ziemlich egal. Ich würde gerne die Art von Kunst herstellen können, die gaaaanz viel Geld bringt, so dass ich nie mehr "arbeiten" muss und Zeit habe, noch viel mehr Kunst zu machen und anzugucken und mit vielen tollen Künstlern zusammen geniale Projekte austüfteln kann.

Und jetzt zurück in die Wirklichkeit: neben dem heißen Wasser aus der Dusche (wurde bereits gewürdigt, kann aber gerade im Winter nicht oft genug erwähnt werden), der Anti-Baby-Pille und dem Internet ist die individuelle Freiheit (wurde auch bereits gewürdigt, was aber vielleicht nicht jedem aufgefallen ist) das, was mich an dieser Epoche so begeistert. Wir dürfen alles (naja, ihr wisst schon, wie ich es meine), wir müssen nur genug Energie investieren, um es auch wirklich zu machen. Du kannst es dir vorstellen, also kannst du es auch bauen ;). Ich bin begeistert! Konkret: Ich erfahre gerade, dass ich viel von dem machen kann, was ich will und mir dabei immer neuer Unfug einfällt, wenn ich nur die Zeit investiere. Beschluss: auch nach dem Sabbatjahr werde ich meine Steckenpferde pflegen, und dafür einigen anderen Blödsinn sein lassen. Und dafür muss man 42 werden ....

PS Bloggen ist kein Blödsinn.

Donnerstag, 5. November 2009

Das Kreuz mit dem Kreuz

Da ist sie wieder: die abendländisch-christliche Tradition. Als ob in unserer Verfassung nicht klar geregelt sei, dass Staat und Religion zu trennen sind. Nun muss uns der EU-Gerichtshof nochmal darauf hinweisen. Darüber könnte ich noch müde lächeln, aber nicht darüber, dass man in Deutschland von Staats wegen auch ausschließlich kirchlich heiraten kann, selbst wenn das in den Kirchen kritisch gesehen wird. Aber die echte Krönung besteht darin, dass man es nun auch den islamischen Organisationen anbietet, hier in Deutschland die sogenannte "Imam-Ehe" schließen zu dürfen, die in der Türkei seit Atatürk verboten ist. Immer noch besser, ein verbogenes Religionsverständnis, als gar keine Religion, der Feind, das sind die Atheisten und Kommunisten, wie eh und je.  

Religion ist Privatsache. Die viel beschworenen Werte stammen weder aus dem Christentum, noch gelten sie ausschließlich für dieses. Diese ganze Werte-Debatte ist total verlogen. Unsere Gesellschaft bietet vielen von uns ein maximales Maß an Freiheit, auch wenn wir es nur selten nutzen. Jeder kann tun, was er will und sagen, was er denkt. Das klappt aber nur, wenn wir das auch jedem anderen Menschen zugestehen, das ist manchmal ganz schön schwierig. Jeder ist halt ein kleines Bisschen anders. Also, ihr Leute, ob religiös oder nicht, sagt, was ihr denkt, tut, was ihr wollt und respektiert euren Nächsten. Das reicht an Werten völlig aus.

Nein, natürlich gelingt mir das nicht immer. Aber damit das Mögliche entsteht, muss jeden Tag das Unmögliche versucht werden (Hesse). Das war jetzt überhaupt nicht lustig, musste aber mal raus.

Vielleicht kann ich beim nächsten Mal kurz in eines meiner Lieblingsthemen einführen, mein geheimes Promotionsthema für alle Fälle: "Warum so viele Frauen leichtfertig die Erfindung des BH ignorieren". 

Gute Nacht!

Sonntag, 1. November 2009

Interessanter Tag

Das war ein interessanter Tag. Wir waren in Frankfurt, zunächst in der Barbara-Klemm-Ausstellung (old school) und dann im Museum für Kommunikation. Dort war zu sehen, was der ADC, der Art Directors Club 2008 prämiert hat (absolutely new school). Der ADC besteht aus 557 Werbeschaffenden und die gezeigten Werbungen, Verpackungen, Filme und Projekte haben im weitesten Sinne mit Werbung zu tun. Das kann auch Werbung für amnesty international oder Dunkelziffer (grausig, treffend, alles gesagt ohne Worte) sein, der Rechenschaftsbericht einer afrikanischen Hühnerfarm-Besitzerin, ein Kalender mit vom Aussterben bedrohten Lebensmitteln oder oder oder. Wir waren begeistert von der Menge an Ideen, ein richtiger Vitaminstoß fürs Hirn (das ist dieses chronisch unterversorgte Organ oberhalb des Magens) und die kreative Ecke darin (das ist die mit dem "Geht-ja-sowieso-nicht"-Laufstall drumherum).

Schließlich waren wir noch im Kino, Inglourious Basterds. WOW. Jede Menge Blut, Feuer, Spannung, die typischen Tarantino-Selbstverarschungen und tolle Schauspieler. Am Schluss ist man atemlos und auch etwas betäubt. Ich wusste ja als alter Tarantino-Fan, was auf mich zukommt, aber das Thema machte das ganze Spiel um Gewalt, Täuschung und Ironie noch packender. Nachdem Hitler nun sehr spät zum Leinwand-Star geworden ist (ich weiß nicht, wer mittlerweile schon alles als Hitler im Kino zu sehen war), muss ich, ohne Kenntnis der anderen Filme sagen: das ist die einzige Variante, in der ich mir das ansehen möchte. Blicke in seine "Seele" möge man mir bitte ersparen. Brad Pitt ist wie immer große Klasse, Daniel Brühl ganz ok, und Christoph Waltz ist so perfide, dass es einem Angst wird. Er erinnert mich an Klaus Maria Brandauer in "Mephisto", vielleicht auch wegen des Wiener Schmäh, schillernd, gemein, unmenschlich. 

Danach begann der Meinungsaustausch beim Italiener etwas schleppend, wir (das sind übrigens Hasi und ich) waren etwas benebelt vom Film. Morgen ist wieder Montag, aber nur für Hasi, nicht für mich. Ich bin nämlich im Sabbatjahr und das erkläre ich demnächst in meinem Profil.

Gute Nacht, Undenheim und Welt!

Mein erstes Mal

Hallo, Welt!

Das erste Mal, dass Blogs in mein Bewusstsein traten, fand in einer Ausstellung des Museums für Kommunikation in Frankfurt statt, vor etwa einem Jahr. Dort wurden die Blogs in die "Tradition" des Tagebuchs gerückt und einige tolle, anregende Beispiele "ausgestellt".

Da ich seit einiger Zeit ein Tagebuch führe, fühlte ich mich irgendwie angesprochen. Aber nur so irgendwie - denn schließlich ist mein Tagebuch nur für mich da. Gedanken, die dem kollektiven Elefantengedächtnis www einverleibt werden, sollten schon etwas wichtiger, bedeutender, dauerhafter, größer, naja halt irgendwie würdiger sein - und die Beispiele im Museum waren großartig.

Also doch nichts für mich.  Im Sommer lernte ich eine junge Frau kennen, die einen Blog hat, der um Genähtes, Gekauftes, Dekoriertes, und manchmal auch um Gedachtes kreist. Und den Blog von holynitro lese ich auch gern, und der ist auch nicht für die Ewigkeit gemacht, aber witzig. Die Hemmschwelle sank.

Und hier bin ich! Für ein Profil reicht heute die Zeit nicht. Aber was hier in diesen Blog soll, kann ich beschreiben. Was ich so denke, politisch (och, ja), gesellschaftlich (hm hm), kulturell (jau!), spirituell (wie bitte?) und menschlich in dem Sinne, dass wir uns alle jeden Tag neu erfinden können, m.E. der größte Vorteil der modernen Welt neben heißem Wasser aus der Dusche.

In diesem Sinne: bis morgen.